Was ist eigentlich artgerecht?

Wir nehmen uns heraus, zu definieren, was artgerecht für Tiere bedeutet, aber haben selber kaum eine Vorstellung davon, was es für uns bedeutet. Ist das nicht ein bisschen seltsam? Rein biologisch gesehen sind wir ja auch nur Tiere, wenn auch ganz spezielle. Nämlich, welche die sich das Recht herausnehmen über alle anderen Tiere zu herrschen. Aber selber haben wir kaum eine Definition was artgerecht für uns bedeutet. Wenn wir Wikipedia oder den Duden befragen, stehen da zwar Definitionen drin, aber die sind wieder mal rein auf Tiere fokussiert oder rein technisch formuliert. Aber was macht artgerecht für uns Menschen aus? Auf jeden Fall nicht das, was wir gerade leben.

Schauen wir mal von draußen drauf: Wir leben oft in Häusern mit vielen Menschen zusammen, die wir oft nicht kennen (wollen). Wir bewegen uns in blechernen Kisten von A nach B, die mit chemisch manipulierten Überresten vergangener Biomasse betrieben werden und tun oft, um etwas zu essen zu haben, etwas dass nur in einer von uns geschaffenen sozialen Realität irgendeine Bedeutung hat, ansonsten aber vollkommen bedeutungslos für die wirkliche physische Realität ist.

Wir nennen es Arbeit und jeder ist irgendwie verpflichtet das zu tun, wenn er überleben will. Es wird nicht akzeptiert/toleriert nur das zu tun, das uns Nahrung verschafft, obwohl das eigentlich das Naheliegendste wäre. Wir tauschen unsere Lebenszeit in etwas, das uns erlaubt die Lebenszeit anderer Menschen zu mieten oder deren Erzeugnisse zu kaufen, für die sie ihre Lebenszeit verwendet haben.

Wir schauen anderen Menschen dabei zu, wie sie unsinnige Dinge tun, entweder als Fiktion (Filme) oder im echten Leben (Social Media). Und in diesen Fantasiewelten finden es manche unterhaltsam, wenn andere Menschen gequält, gefoltert oder getötet werden. Wenn wir zueinander ehrlich sind, müssen wir uns schon irgendwie eingestehen, dass das alles von außen wohl ziemlich verrückt aussehen muss.

Aber egal: Uns allen geht’s dabei super und wir sind alle total gesund und glücklich. Dann ist das vermutlich nichts, worüber man sich Gedanken machen muss. Wie bitte? Es geht vielen aber nicht gut und viele sind nicht glücklich dabei. Wir sterben zu früh gemessen an unserem Wohlstand und leben oft unerfüllte, traurige Leben. Wir alle halten das aber mittlerweile für völlig normal. Stopp! Das reicht jetzt aber, magst Du vielleicht einwenden. Ich bin aber noch nicht fertig.

Das Wohlstandversprechen dieser Welt wird nur noch für ganz wenige eingelöst und auch das allgegenwärtige Leid in unserer Welt zeigt uns doch eigentlich sehr deutlich, dass dies hier nicht in die richtige Richtung läuft. Und ich meine nicht nur die Menschen im Sahel oder anderen Krisengebieten. Ich meine hier mitten unter uns. Wir verstricken uns immer mehr in einer Welt, die nicht mehr für Menschen gemacht ist. Stattdessen werden „Interessen“ bedient. Es geht um Monetarisierung und Kommerzialisierung nahezu jedes Aspekts unseres Lebens. Wir versprechen uns von immer mehr und immer invasiverer Technologie, dass sie uns endlich Erlösung bringen soll. Ja aber von was denn bitte schön? Von den Komplexitäten, die wir selber geschaffen haben? Echt jetzt? Sie erzeugt aber nur neue Komplexitäten und Verstrickungen, die wir noch weniger verstehen.

Physische Grundbedürfnisse sind seit es Zivilisationen gibt, scheinbar dann befriedigt, wenn wir den Magen mit irgendetwas voll haben und gelegentlich kopulieren. Und Bewegung? So ein bisschen Eisen schubsen oder auf elektrischen Fahrrädern rumzurollen gilt vielen ja schon als Sport. Wir schlafen ein paar Stunden bis uns Lärm (Wecker) aufweckt. Und dann stürzen wir uns in eine Welt, in der wir ständig nach Bedeutungen suchen, die gar nicht da sind, umgeben von anderen Bedeutungssuchern, die dasselbe tun. Weil wir alle seit unserer Kindheit hinter allem eine Bedeutung suchen, damit das, was wir erleben, einen Sinn macht. Aber da ist kein Sinn. Es ist nur eine Geschichte, die wir uns erzählen, um uns zu beruhigen. Und soll das etwa in irgendeiner Weise artgerecht für uns sein?

Was heißt artgerecht denn aber wirklich. Es heißt „dem natürlichen Verhalten und natürlichen biologischen und sozialen Bedürfnissen entsprechend“. Ist irgendetwas von dem, was ich vorher besprochen habe, unserem natürlichen Verhalten oder unseren biologischen und sozialen Bedürfnissen entsprechend? Nein. Nichts davon. Außer der Bedeutungssuche, aber das auszuführen würde hier zu weit führen.

Wenn wir artgerecht leben, dann essen wir Dinge, die natürlich erzeugt sind und uns guttun. Und nicht in Geschmacks- oder Genlaboren entworfen werden, um unsere Sinne oder Schädlinge zu täuschen. Wir schlafen, bis uns die Sonne aufweckt. Wir bewegen uns in der Natur bei der Suche nach Nahrung und Hilfsmitteln. Wir verhalten uns als Gruppe sozial und unterstützen uns gegenseitig, weil wir wissen, dass unser Überleben in der Natur davon abhängt. Das ist artgerecht für Menschen. Und was machen wir?

Nicht falsch verstehen: Ich plädiere nicht für ein Back-to-the-Stone-Age-Modell des Lebens. Dafür sind wir schon viel zu tief in die Technosphäre verstrickt. Um artgerechter zu leben, müssen wir uns nicht mit Tierfellen bekleiden oder mit Feuersteinen hantieren (allerdings: Viele Raucher würden dann sicherlich ganz schnell das Rauchen aufgeben). Aber einzelne Aspekte von artgerechtem Leben sind absolut einfach, naheliegend und ganz leicht zu realisieren:

  • Ernährung: Weniger Getreide und Milch, dafür mehr Obst und Gemüse und Fleisch nur noch von Tieren, die ein gutes Leben hatten
  • Bewegung: Mehr, öfter, vielfältiger. Alles, was Spaß macht und vielleicht sogar unsere sozialen Fähigkeiten fordert und fördert.
  • Ruhe- und Freizeit: Statt Netflix-Koma, Doom-Scrolling und Internet-Stasis: Schlaf und/oder echte Präsenz in der realen Welt.
  • Mindset: Verantwortung für sich und sein Leben übernehmen, wahrhaftig sein und andere Menschen unterstützen dasselbe zu tun

Ist das jetzt eigentlich schwierig? Nö. Brauchen wir dafür staatliche Programme, Vereine, Gewerkschaften oder Parteien? Nö. Wir müssen für uns nur die Wahl treffen es in Zukunft so zu tun. Jeder für sich. Jetzt.

Und jetzt mach ich der Fantasie mal die Tür einen Spalt auf: Stell Dir mal vor jeder würde es tun. Also dieses artgerechtere Leben führen! Ab heute. Ab sofort. Es wäre eine sehr stille und fröhliche Revolution. Ohne Lärm und Gewalt. Ohne neue Ungerechtigkeiten. Ganze Imperien aus Unsinn und Unrat unserer Zivilisation würden in kürzester Zeit zusammenbrechen. Niemand könnte etwas dagegen tun. Wir würden morgen in einer anderen Welt aufwachen. Ich schreib das jetzt mal ganz schnell auf, sonst denke ich morgen, ich habe das bestimmt nur geträumt.

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